Herkunft
Nikolaus Habjan wurde als Sohn einer Kunsthistorikerin und eines Verlagskaufmannes am 24. Sept. 1987 in Graz geboren. Er hat eine zwei Jahre jüngere Schwester, die als Juristin arbeitet. Im Alter von vier Jahren besuchte H. mit seinen an Musik, Oper und Theater interessierten Eltern das Salzburger Marionettentheater und Mozarts "Zauberflöte", was ihn so nachhaltig begeisterte, dass er mit zehn Jahren schon wusste, dass er Puppenspieler und Opernregisseur werden wollte (concerti, 31.10.2018). Sein Großvater half ihm beim Bauen von kleinen Theaterbühnen für seine Marionetten.
Ausbildung
Ab 1992 erhielt H. eine musikalische Früherziehung, von 1993 bis 2006 Violinunterricht. Noch während der Schulzeit am Bundes- und Bundesrealgymnasium Carneri besuchte H., weil er in Österreich nicht Puppenspiel studieren konnte, zwischen 2003 und 2009 vier Workshops des australischen Puppenspielers Neville Tranter und perfektionierte dort seine Puppenspieltechnik. 2006-2010 studierte er Musiktheaterregie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Sein Studium schloss er mit der Inszenierung von Gian Carlo Menottis "The Medium" mit Auszeichnung ab.
Wirken
Puppenspieler und RegisseurAb 2008 arbeitete H. als Regieassistent und Abendspielleiter am Schubert Theater Wien, seit 2009 als Co-Direktor. Dort entwickelte er 2010 zusammen mit Direktor Simon Meusburger seine erste Puppentheater-Produktion unter dem Titel „Schlag sie tot”, eine „bitterböse Revue” (concerti, 31.10.2018) mit Liedern von Georg Kreisler. Für dieses höchst erfolgreiche Stück baute er bereits selbst die Puppen und spielte sie auf der Bühne. Weitere Inszenierungen am Schubert Theater folgten. Der Durchbruch gelang H. in der Co-Produktion mit Meusburger „F. Zawrel - erbbiologisch und sozial minderwertig” über einen Überlebenden des Kinder-Euthanasie-Programms in der Wiener Nervenheilanstalt Steinhof, das den Nestroy-Theaterpreis 2012 und den Aargauer (Schweiz) Förderpreis "Grünschnabel" 2014 erhielt. Um „Becoming Peter Pan - An Epilogue to Michael Jackson” (2010), nach Meinung der ZEIT (22.10.2015) die „ungewöhnlichste Multimedia-Taschenoper”, gab es viel Wirbel; die Aufführung musste unter Polizeischutz stattfinden, weil aufgebrachte Jackson-Fans eine Parodie vermuteten. Außerdem war H. mit Inszenierungen als Regisseur an Häusern wie der Bayerischen Staatsoper (2017, "Oberon"), dem Residenztheater München ( 2018, "Der Streit"), dem Schauspielhaus Zürich (2018, "Ausschließlich Inländer - eine Georg Kreisler Revue"), dem Volkstheater Wien (2015, "Das Wechselbälgchen" von Christine Lavant; 2016, "Nathan, der Weise" von Lessing; 2017, "Wien ohne Wiener - eine Georg Kreisler Revue") und am Schauspielhaus Graz („Das Missverständnis” von Albert Camus, 2014) und im Jugendtheater Graz Next Liberty (2016, "Faust" von Goethe), im Akademietheater (2019, "Die Volksvernichtung" von Werner Schwab), in Bern (2018, "Alcina") und im Theater an der Wien ( 2019, "Oberon"; 2019, "Faust" von Gounod; 2020, "Salome" von Richard Strauss) tätig.
2018 erregte H. großes Aufsehen mit dem von Paulus Hochgatterer für ihn verfassten Stück „Böhm” über den in Graz geborenen Dirigenten und NS-Karrieristen Karl Böhm (1894-1981), das er mit insgesamt elf Puppen (die z. T. Sänger wie Walter Berry oder Christa Ludwig darstellten) am Schauspielhaus Graz in Szene setzte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.3.2018) äußerte sich bewundernd über diesen „erstaunlichen, geglückten, minutenlang frenetisch beklatschten Abend”, an dem H. Böhm „doch noch vom Sockel gestoßen” habe. Die Produktion wurde als Gastspiel nach München, Leipzig, Berlin, Liechtenstein und an das Wiener Burgtheater eingeladen.
2019 zeigte H. am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten die österreichische Erstaufführung von Elfriede Jelineks „Am Königsweg”, in der er die öffentlichkeitsscheue Autorin und Nobelpreisträgerin, die selbst von der Idee begeistert war, als Puppe in Erscheinung treten ließ. Die Presse (17.3.2019) lobte H. als einen „Meister seines Handwerks”, der die karnevaleske Politikfarce „teilweise atemberaubend” in Szene gesetzt habe. 2019 kam H. mit seinem Lehrer und Vorbild Neville Tranter für das Stück „The Hills are Alive” zusammen, das von der Rückkehr der Trapp-Familie, bzw. hier des uralten Ehepaars Max und Maria von Trüb, nach Österreich handelt, die dem Paar allerdings verweigert wird. Das ironische Stück mit aktuellen politischen Anspielungen wurde auf Englisch mit deutschen Übertiteln aufgeführt.
Als Opern- und Musiktheaterregisseur gab H. sein Debüt mit Carl Maria von Webers Oper „Oberon, König der Elfen” (2017 in München), in der neben den Puppen auch Sänger wie z. B. Annette Dasch oder Julian Prégardien auftraten und bei der er die surreale Handlung in ein Verhaltensforschungslabor der 1950er Jahre verlegte. Weitere Operninszenierungen wie Händels „Alcina” (2018 Bern) oder Gounods „Faust” (2019 Wien) und "Salome" von Richard Strauss (2020 Wien) folgten. Daneben hatte H. großen Erfolg mit der Revue „Wien ohne Wiener” mit Chansons von Georg Kreisler (2017 Wien) und dem Kreisler-Abend „Ausschliesslich Inländer” (2018 Zürich).
Zur Herstellung der PuppenIn einem Interview mit der Wiener Zeitung (11.5.2019) nannte H. seine malerischen Vorbilder für die Klappmaulpuppen, die in Lebensgröße aus Kunstharz, Watte, Stoff und Holz gebaut werden: „Ich liebe Schiele, auch Kokoschka, Klimt, Lucien Freud, Otto Dix oder Manfred Deix. ... Ich finde es spannend, wenn man haarscharf an der Karikatur vorbeischrammt ... Ich habe einen Hang zur Groteske, die im Puppentheater sehr von Vorteil sein kann.” Als Puppenspieler erschuf H. die verschiedensten Typen, so z. B. den Wiener Grantler oder den verbohrten Bürokraten oder Karikaturen von lebenden Persönlichkeiten wie z. B. Elfriede Jelinek oder Donald Trump. Man sehe ihnen das „Gebastelte” an, „gerade dieser Antiperfektionismus macht sie so ausdrucksstark, so subversiv und unbotmäßig”, urteilte DIE WELT (8.2.2017). Gespielt werden die Puppen, indem H. neben den Puppen steht, mit einer Hand die Puppe führt und spricht. Seine Faszination für Puppen erklärt H. so: „Theater ist stilisierte Realität. Ich brauche keinen Realismus in einem unwirklichen Setting. Die Puppe ist eine Projektion, sie kann alles. Vor allem kann sie besser sterben als Schauspieler” (NZZ, 13.3.2016).
MusikerEin weiteres Talent und erstaunliches Modulationsvermögen beweist H. auf musikalischem Gebiet als Kunstpfeifer mit seinem Programm „Ich pfeife auf die Oper”, in dem er, begleitet von einem kleinen Solistenensemble oder von einer Pianistin, beliebte Arien der Opern- oder Operettenbühne (u. a. Mozart, Rossini, Delibes, Puccini) präsentiert und mit dem er u. a. in Graz (2016), im Konzerthaus Wien, in Bregenz sowie 2018 in der Hamburger Elbphilharmonie und bei den Kasseler Musiktagen zu Gast war. Außerdem trat er mit den Wiener Sängerknaben und den Philharmonikern auf. Seit 2012 musiziert er auch mit dem zehnköpfigen Osttiroler Ensemble „Musicbanda Franui”. Neben den beiden Kreisler-Revuen im Wiener Volkstheater und im Schauspielhaus Zürich entstanden 2015 „Doch bin ich nirgends, ach zu Haus“ mit Texten von Robert Walser und Jürg Amann und 2019 „Die sieben Leben des Maximilians“, eine musikalische Installation.
Familie
H. ist ledig. Zu seinen Hobbys zählen Reisen und Lesen. H.s Eltern fungieren auch als seine Manager. Seine Mutter Ulrike verwaltet seine Termine, der Vater Valentin seine Finanzen. Außerdem kümmern sie sich um die Website und das Archiv.
Werke
11. September 2021: Premiere am Opernhaus Dortmund: "Tosca" von Giacomo Puccini. Dirigat: Gabriel Feltz. Regie: Nikolaus Habjan.
26. September 2021: Premiere am Opernhaus Graz: "Alles nicht wahr". Ein Georg-Kreisler-Abend mit Nikolaus Habjan und Musicbanda Franui.
2022: Nikolaus Habjan/Franui: "Kreisler-Lieder". CD (2022).
15. Januar 2022: Premiere am Schauspiel Stuttgart: "Fly Gsnymed" von Paulus Hochgatterer. Regie und Puppenspiel: Nikolaus Habjan.
16. Januar 2023: Premiere am Theater an der Wien, Wien: "La Périchole" von Jacques Offenbach. Dirigat: Jordon de Souza. Regie: Nikolaus Habjan.
30. April 2023: Premiere an der Semperoper, Dresden: "L'Orfeo" von Claudio Monteverdi. Dirigat: Wolfgang Katschner. Regie: Nikolaus Habjan.
26. Mai 2023: Premiere an der Staatsoper Unter den Linden, Berlin: "Die schöne Müllerin" von Musicbanda Franui/Franz Schubert. Dirigat: Andreas Schett. Regie: Nikolaus Habjan.
11. November 2023: Premiere am Theater, Dortmund: "Orpheus in der Unterwelt" von Jacques Offenbach. Dirigat: Motonori Kobayashi/Andrea Alessandrini/Koji Ishizaka. Regie: Nikolaus Habjan.
16. Dezember 2023: Premiere am Theater an der Wien: "Wo die wilden Kerle wohnen" von Oliver Knussen. Regie: Nikolaus Habjan. Dirigat: Stephan Zilias.
6. Januar 2024: Premiere am Deutschen Theater, Berlin: "The Hills Are Alive" von Nikolaus Habjan/Neville Tranter. Regie: Nikolaus Habjan/Neville Tranter.
21. Juni 2024: Premiere am Deutschen Theater, Berlin: „Böhm“ von Paulus Hochgatterer. Regie: Nikolaus Habjan.
28. Mai 2025: Premiere am Deutschen Theater, Berlin: "Schicklgruber" von Neville Tranter/Jan Veldman. Regie: Neville Tranter/Nikolaus Habjan.
Auszeichnungen
Auszeichnungen u. a.: Best Off Styria Publikumspreis (10), Preis der Stiftung der Grazer Theatergemeinschaft (11), Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie Beste Off-Produktion (12), "Grünschnabel" Aargauer Förderpreis für junges Figurentheater (14), Wolfgang-Swoboda-Preis für Menschlichkeit im Strafverfahren (16), Dorothea-Neff-Preis (16), Nestroy-Theaterpreis des Publikums (16, 18), Verleihung des Festspielpreises der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele (17), Josef-Krainer-Heimatpreis (18).
Adresse
Im Hoffeld 58, 8046 Graz, Österreich, Tel.: +43 677 62019525, E-Mail: office@nikolaushabjan.com, Internet: www.nikolaushabjan.com