MUNZINGER Wissen, das zählt | Zurück zur Startseite
Wissen, das zählt.


MUNZINGER Personen

Marc Moret

Schweizer Industriemanager; Sandoz/Novartis; Dr. rer. pol.
Geburtstag: 15. November 1923 Ménières/Kanton Fribourg
Todestag: 17. März 2006 Lausanne
Nation: Schweiz

Internationales Biographisches Archiv 28/2006 vom 15. Juli 2006 (cs)


Blick in die Presse

Herkunft

Der Bauernsohn Marc Moret, kath., wuchs in Ménières im Broyetal (Kanton Fribourg) auf. Ein Bruder war der Komponist Norbert Moret (1921-1998).

Ausbildung

M. studierte Wirtschaftswissenschaften in Fribourg und Paris (Sorbonne). Er promovierte 1948 im Fachgebiet Nationalökonomie zum Dr. rer. pol.

Wirken

Nach mehreren Praktika, darunter in der Freiburger Kantonsverwaltung, bei der Swissair und Sulzer folgten Stationen beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé. M. wirkte auch bei Nestlé-Beteiligungen, der Ursina (Bärenmarke, Thomy) und dem Kindermilch-Hersteller Guigoz. Diesen leitete er zuletzt als Generaldirektor.

1968 trat M. in den Schweizer Chemie- und Pharmakonzern Sandoz AG ein. Dieser war 1886 als Farbstoff-Produzent entstanden, hatte 1917 auch einen Pharma-Bereich aufgebaut und war früh international präsent. 1939 folgte der Einstieg in die Agrochemie (Pflanzenschutz, Saatgut) und 1967 mit Übernahme der Wander AG (Ovomaltine) der in den Ernährungssektor. M. begann 1968 als stellv. Direktor und wurde 1969 Direktor. Dabei leitete er den Vertrieb in der Division Agrochemikalien, danach die gesamte Sparte, anschließend die Division Ernährung und schließlich 1976 das Ressort Finanzen. Gleichzeitig rückte er 1975 in den Vorstand (Direktionskomitee) auf. 1977 übernahm er als Delegierter des Verwaltungsrates die operative Führung und trat 1981 als Präsident der Konzernleitung an die Spitze von Sandoz. Parallel hierzu wurde er 1980 Vizepräsident des Verwaltungsrates, und 1985 folgte er auf Dr. Yves Dunant im Verwaltungsratspräsidium. Bis 1994 gehörte M. zusätzlich dem Verwaltungsrat der Emasa AG an, die als Holding der Familie Sandoz 7,7 % der Anteile an der Sandoz hielt. Zum 1. Juli 1993 gab M. den Vorsitz der Konzernleitung ab, blieb aber die bestimmende Persönlichkeit, zumal sich in der Folge mehrere Konzernchefs nicht neben ihm behaupten konnten und wieder ausschieden. Überhaupt galt der impulsive M. als Herr einsamer Entschlüsse und Konzern-Patriarch im Stil eines allein verantwortlichen französischen PDG.

Bevor M. 1981 die Führung übernahm, galt Sandoz als ein zwar solider, aber doch eher betulich geführter Konzern. Das änderte sich, als der entschieden gewinn- und renditeorientierte M. "Inkompetenz, Bürokratie und Verfilzung" den Kampf ansagte. Als erster Schweizer Konzern führte Sandoz 1981 eine rigorose Gemeinkosten-Analyse durch, in deren Konsequenz M. allein im Stammhaus binnen 15 Monaten über 900 Stellen abbaute. Zum 1. Jan. 1990 führte M. zudem eine neue schlagkräftigere und dezentrale Konzernstruktur ein und gestaltete das Stammhaus zu einer Management-Holding um. Diese war fortan für Strategie und Unternehmenspolitik zuständig, während M. den einzelnen Divisionen mehr Eigenständigkeit, Kompetenzen und Verantwortung zugestand. M. behielt aber über die von ihm eingeführte harte Ergebniskontrolle die Oberhand und forderte operative Verbesserungen in den Abläufen ein. Neben Förderung des Leistungsdenkens und Etablierung des Kostenbewusstseins baute M. systematisch die Marktpositionen in traditionellen Sparten aus und erschloss zielstrebig neue Tätigkeitsfelder. Wachstum erreichte er aber nicht zuletzt durch überdurchschnittliche Forschungsaufwendungen (1992: 1,5 Mrd. sfr). M.s Kurs zeigte bald Ergebnisse. War 1980 der Umsatz je Mitarbeiter noch mit rund 138.000 sfr angegeben worden, so lag er 1985 bereits bei 211.000 sfr. In der gleichen Zeit nahm der Konzernumsatz von 4,9 Mrd. auf 8,5 Mrd. sfr zu, der Konzerngewinn von 202 auf 529 Mio. sfr. 1995 erreichte Sandoz einen Konzernumsatz von 15,2 Mrd. sfr und einen Gewinn von 2,1 Mrd. sfr. Die Zahl der Beschäftigten lag bei knapp 50.000.

1986 sah sich M. einer Umweltkrise gegenüber, die dem Leumund des Konzerns nachhaltig schadete. Bei einem Großbrand im Agrochemikalien-Lager in Schweizerhalle bei Basel kam es zu einer schwerwiegenden Luftverschmutzung. Außerdem floss Löschwasser in den Rhein und vernichtete dort für geraume Zeit alles Leben. M. wurde vorgeworfen, er habe sich während der kritischen Tage von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Ein anderer Tadel betraf den Vorwurf ungenügender Vorsorgemaßnahmen und eine wenig entgegenkommende Kommunikation. Die Schadenersatzforderungen wurden mit rund 100 Mio. sfr beziffert. M. reagierte danach aber gewohnt konsequent und baute in der Konzernzentrale eine Einheit für Krisenreaktionen auf. Auf die Produktion von quecksilberhaltigen Produkten wurde fortan generell verzichtet, und Umweltschutzmaßnahmen ließ M. verbessern. M. verwahrte sich aber gegen ihm zufolge "absurde" Auflagen. Im Geschäftsbericht für 1986 argumentierte er, man müsse einsehen, "dass jede industrielle Tätigkeit, und damit auch die Chemie, nicht nur Nutzen bringt, sondern ebenso mit gewissen Gefahren und Risiken verbunden ist. Forderungen nach absoluter Sicherheit und Ausschluss sämtlicher Risikofaktoren sind deshalb nicht erfüllbar".

Eine weitere Konsequenz M.s aus dem Unglück von Schweizerhalle war der schrittweise Ausstieg aus der Großchemie. Schließlich gliederte Sandoz die für die Industrie produzierende Division Spezialitätenchemie 1995 aus und brachte sie unter der Firma Clariant AG an die Börse. 1996 erwarb Clariant die Spezialchemie des Hoechst-Konzerns. Umgekehrt stärkte M. bei Sandoz die Life-Sciences (Pharmaka, Ernährung, Agrochemie) sowie die junge Gentechnologie. In der Pharma-Division etablierte sich Sandoz als Spezialist für Medikamente in Gebieten wie Transplantationen, Asthma/Allergien und Herz/Kreislauf. Anders als viele Wettbewerber stellte Sandoz auch Nachahmer-Produkte (Generika) mit Wirkstoffen ohne Patentschutz her. Für die Division Ernährung mit den bisherigen Marken Ovomaltine und Isostar kaufte M. 1994 die Gerber Products Co. auf, den US-Marktführer für Babynahrung mit einem Umsatz von 1,2 Mrd. US$. Der Übernahmepreis von 3,7 Mrd. US$ galt rückwirkend als hoch. Auch mit Bauchemikalien und der Agrochemie behauptete Sandoz vordere Plätze der Weltrangliste.

Im März 1996 gab M. zur allgemeinen Überraschung die Fusion der Sandoz mit dem Basler Konzernnachbarn, der Ciba-Geigy AG, bekannt. Er hatte die Verschmelzung im Geheimen mit dem Ehrenpräsidenten der Ciba-Geigy, Louis v. Planta, und Konzernchef Alex Krauer ausgehandelt. Ciba-Geigy war 1970 aus der Fusion der beiden Basler Vorgängerfirmen hervorgegangen, hatte 1995 in den Divisionen Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Industrie 22,7 Mrd. sfr umgesetzt und war der größte Schweizer Chemiekonzern. Die Verschmelzung erfolgte ohne Widerstände seitens der Aktionäre und Kartellbehörden per Aktientausch und führte zur neuen Firma Novartis AG - nach dem lateinischen Begriff "novae artes" für "neue Fertigkeiten". Diese kam im Dez. 1996 an die Börse. Die Aktionäre von Sandoz erhielten entsprechend der besseren Börsenkapitalisierung 55 % an der Novartis. M. sah somit seinen anlegerfreundlichen Kurs bestätigt.

M. und Krauer verständigten sich angesichts der hohen Investitionen und Kosten in Forschung, Fertigung und Marketing darauf, Novartis auf Bereiche zu konzentrieren, in denen beide bereits Spitzenpositionen hielten, nämlich Pharma, Ernährung und Landwirtschaft. Im damals noch stark fragmentierten Pharmamarkt rückte Novartis mit einem Anteil von damals 4,4 % auf den zweiten Platz. Umgekehrt verkaufte Novartis die in den 70er Jahren zusammengekaufte Division Sandoz-Bauchemie für 1,2 Mrd. sfr an die SKW Trostberg und brachte die Sparte Ciba Spezialitätenchemie AG an die Börse. Später wurde diese Teil der Clariant.

M. trat in die Führung der nach Sandoz-Vorbild in einer Holding-Struktur organisierten Novartis nicht mehr ein. Entgegen aller Erwartungen hielt er sich als Ehrenpräsident völlig zurück. Den Verwaltungsrat leitete Krauer bis 1999. Das Präsidium übernahm dann zusätzlich Konzernleitungschef Daniel Vasella. Dieser hatte eine Nichte M.s geheiratet und bei Sandoz zuletzt die Division Pharma geleitet. Bei der Gründung vereinte die Novartis in der Division Gesundheit einen Umsatz von 16,3 Mrd. sfr, in Agrobusiness von 7,6 Mrd. und in Ernährung von 3,7 Mrd. sfr (1996). Die Agrochemie wurde durch Zukäufe weiter gestärkt, 2000 gab sie Vasella aber in die mit der Astra-Zeneca gegründete Syngenta AG ab. Den Pharma-Bereich in den Sparten forschungsintensive Medikamente, Spezialpharmaka (Onkologie, Transplantationsmedizin) und Generika richtete Novartis auf Immunologie/Entzündung, Zentrales Nervensystem, Herz/Kreislauf, Stoffwechsel, Dermatologie und Asthma aus. Die Ernährungs-Produkte - in der Division Consumer Health mit weiteren Aktivitäten in Selbstmedikation, Tiergesundheit und Augenheilkunde - beschränkte Vasella auf klinische Nahrung.

1996 setzte Novartis 36,2 Mrd. sfr bei einem Gewinn von 2,3 Mrd. sfr um. 2004 betrug der Umsatz 28 Mrd. und der Jahresüberschuss 5,8 Mrd. US$.

Familie

M. war verheiratet und hatte drei Kinder. Der Naturfreund liebte klassische Musik und Literatur. Am 17. März 2006 verstarb M. im Alter von 82 Jahren nach längerer Krankheit.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/Weitere Ämter: M. hatte sich auch im Vorstand der Internationalen Musikfestspiele von Luzern sowie in den Schweizer Wirtschaftsverbänden engagiert.



Die Biographie von Willy Reichert ist nur eine von über 40.000, die in unseren biographischen Datenbanken Personen, Sport und Pop verfügbar sind. Wöchentlich bringen wir neue Porträts, publizieren redaktionell überarbeitete Texte und aktualisieren darüberhinaus Hunderte von Biographien.
Unsere Datenbanken sind unverzichtbare Recherchequelle für Journalisten und Publizisten, wertvolle Informationsquelle für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, Grundausstattung für jede Bibliothek und unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der mit den Zeitläuften und ihren Protagonisten Schritt halten will.



Lucene - Search engine library